Der D-Tunnel
Stadtbahnvarianten zur Erschließung des Kronsberges
Zur Anbindung des EXPO-2000-Geländes an die Innenstadt war in den 1990er Jahren eine Erweiterung des Stadtbahnsystems erforderlich. Hierzu wurden zwei bedeutende Gutachten erstellt.
- Haas Consult, Ingenieur-Consult Haas & Partner GmbH; TransTeC Transport und Technologie Consult Hannover GmbH, August 1991. Weltausstellung EXPO 2000, Bewertung der verkehrlichen Erschließung durch den Ausbau der Stadtbahnstrecken, August 1991. Auftraggeber: Landeshauptstadt Hannover, U-Bahn-Bauamt.
- Ingenieur-Consult Haas & Partner GmbH; TransTec Transport und Technologie Consult Hannover GmbH, August 1992. Bewertung von Stadtbahnvarianten zur Erschließung des Kronsberges (2010) und der EXPO 2000. Auftraggeber: Zweckverband Großraum Hannover.
Im letztgenannten Gutachten wurden verschiedene Varianten einer Anbindung der D-Süd-Strecke untersucht. Die Erstellung wurde von einem Sachverständigenarbeitskreis begleitet, der sich aus Vertretern des Kommunalverbandes Großraum Hannover (Vorgänger Region Hannover), des U-Bahn-Bauamtes der Landeshauptstadt Hannover und der ÜSTRA zusammensetzte. Mittels differenzierteren Untersuchungs- und Bewertungsmethodiken erstellte das Gutachten von 1992 konkrete Aussagen bezüglich der verkehrlichen und betrieblichen Eignung der Stadtbahnvarianten. Die betrachteten Varianten wurden aus dem vorangehenden Gutachten von 1991 abgeleitet, wobei zwei Varianten (Nr. 1 und 4) aufgrund ihrer eindeutigen Nachteile gegenüber den anderen Varianten ausgeschieden wurden. Zusätzlich wurden weitere Betriebsvarianten für den Zeitraum der EXPO (Varianten 7 und 8) und der Nachnutzung (Variante 2.1) für das anvisierte Jahr 2010 in die Untersuchung mit einbezogen. Folgende Streckenvarianten wurden 1992 untersucht:
Stadtbahn-Variante 2: C-Tunnel mit Kirchrode und Bemerode über Strecke Brabeckstraße
Die Variante 2 entwickelte sich aus der Stadtbahnlinie C-Ost. Die oberirdische Neubaustrecke der Variante 2 sollte von der Tiergartenstraße/Großer Hillen über die Brabeckstraße/Anecampstraße/Von-Escherte-Straße zum Kronsberg verlaufen (dazu wurden Lagepläne als Anlage 20 und 21 angefertigt).
In den bebauten Ortslagen wäre ein besonderer Bahnkörper ab Brabeckstraße/Herthastraße realisierbar und ab der Von-Escherte-Straße hätte die Möglichkeit bestanden, einen unabhängig geführten Bahnkörper bis zum Ausstellungsgelände zu errichten. Einzelheiten der angedachten Trassenführung sind dem Lageplan aus Anlage 21 zu entnehmen.
Hinweis: Alle nachfolgenden Karten wurden zur verbesseren Übersicht von Pro D-Tunnel e. V. aus den Berichtsoriginalen nachgezeichnet.
Stadtbahn-Variante 3: C-Tunnel mit Freundallee und Strecke Bemeroder Straße
Die Variante 3 würde gleichfalls aus der C-Ost-Strecke entwickelt werden: Die Neubaustrecke verliefe ab Freundallee auf einem besonderen Bahnkörper in Mittellage über Freundallee und Bischofsholer Damm. Ab Einmündung der Lindemannallee würde der besondere Bahnkörper in Seitenlage über den Messeschnellweg, unter der Güterumgehungsbahn und dem Südschnellweg entlang der Bemeroder Straße geführt. Im Bereich Bemerode war eine Trassenführung in Niveaulage vorgesehen. Die Variante führte über den Straßenzug Am Sandberge, Anecampstraße und Von-Escherte-Straße zum Kronsberg. Ab Anecampstraße ist der Verlauf der Variante 3 identisch mit dem der Variante 2.
Diese Streckenführung ab dem C-Ost-Tunnel über die Freundallee wurde schrittweise ab Mitte der 1990er schließlich ausgeführt und zum EXPO-Gelände geführt (allerdings mit der bekannten Tunnellage in Bemerode). Diese Variante entspricht also der heutigen D-Süd-Strecke.
Stadtbahn-Variante 5: Oberirdische City-Straßenbahn mit Tunnel in der Sallstraße und Strecke Bemeroder Straße
Variante 5 sah den Umbau der derzeitigen Straßenbahnlinie auf den Stadtbahnbetrieb mit oberirdischer Trassenführung durch die Kurt-Schumacher-Straße/Lister Meile (Hbf.)/Berliner Allee bis südlich der Königstraße vor. Anschließend erfolgte eine unterirdische Führung mit Anrampung in der Berliner Allee ab Schiffgraben, mit Weiterführung durch die Berliner Allee, Sallstraße, Altenbekener Damm und einer Rampe in der Lindemannallee unmittelbar nach Unterquerung der DB-Strecke. Die oberirdische Führung setzte sich dann fort über die Lindemannallee in den Bischofsholer Damm und erfolgte von dort aus weiter wie in Variante 3 beschrieben. Folgende Haltestellen waren im weiteren Streckenverlauf vorgesehen: Alte Celler Heerstraße (heute Rosenstr.), Hbf. Raschplatz, Schiffgraben/Berliner Allee, Marienstraße (Tunnelstation), Krausenstraße (Tunnelstation), (ehemaliger) Karl-Peters-Platz (heute Bertha-von-Suttner-Platz, Tunnelstation), Bahnhof Bismarckstaße (Tunnelstation), Lindemannallee.
Im weiteren Verlauf würde die für die Variante 3 vorgesehenden Haltestellen bis zum EXPO-Gelände auf dem Kronsberg folgen. Diese Variante ist seit Frühjahr 2025 seitens der Region Hannover wieder in die Diskussion gebracht worden.
Die Kartenanlagen 22–24 aus dem Haas-Gutachten von 1992 zeigten eine angedachte südwestliche Anlage beider Gleise neben der Hochstraße und der Berliner Allee. Nach dem Abknicken vom heutigen Endpunkt muss die verlängerte Strecke von „Projekt 10/17” entlang der Raschplatz-Hochstraße geführt werden. Hier sieht der neue Masterplan der LHH für die Umgestaltung des Areals Raschplatz beidseitig frei zugängliche Spiel- und Aufenthaltsflächen mittig unter der Brücke vor. Dies würde jedoch mit den Stadtbahngleisen kollidieren, die dann in wenigen Metern Entfernung daran vorbeiführen müssten – Abgrenzungen oder gar Zäune wären vonnöten, was der angestrebten Offenheit dieses Bereichs widerspräche. Konfliktpunkte sind ebenfalls die Tiefgaragen-Ausfahrten sowie die verbleibenden ebenerdigen Straßen der Berliner Allee, die wichtige Zubringer zum Hauptbahnhof darstellen. Außerdem ergibt die Lage der Gleise eine kaum tolerable Heranrückung der Trasse an die westlichen Häuser Berliner Allee 6 bis 26, inklusive Trennwirkung durch nötige Trassenabsicherungen in diesem engen Bereich. Leonhardt- und Ferdinandstraße müssen als Durchlass zur Berliner Allee gesperrt werden. Weitere Konfliktpunkte wären der Volgersweg mit dem Fahrradtunnel sowie der Neubau der Ärztekammer.
Hinweis: Diese Kartenanlagen wurden mit einer Bildbearbeitung zusammengefügt und nachträglich durch Pro D-Tunnel e. V. zur besseren Unterscheidung der verschiedenen Verkehrsflächen eingefärbt. Die Raschplatz-Hochstraße wurde in den Plänen der Übersicht halber weggelassen (nur Stützen sichtbar).

Stadtbahn-Variante 6.2: D-Tunnel Goetheplatz–Lindemannallee und Strecke Bemeroder Straße
Bei der Variante 6.2 würde die Gradienten- und Trassenführung der Variante 5 in der Form verändert, dass ab Goetheplatz bis zur Lindemannallee eine Tunnelstrecke geplant ist. Von der Lindemannallee ist der weitere Trassenverlauf wie in Variante 5 beschrieben vorgesehen.
Dies ist der gesamte D-Tunnel-Verlauf in seiner geplanten Ausdehnung und Trassenführung. Nach dem Gutachten von 1992 wurde bis ca. 1995 die gesamte Trasse detailliert durchgeplant und durchgezeichnet (Lagepläne, Längsschnitte und Stationspläne). Der Abschnitt Goetheplatz bis Marienstraße war planfeststellungsreif und wurde dann politisch verworfen.
Stadtbahn-Variante 7: C-Tunnel mit Kirchrode und Bemerode sowie Zoostrecke
Die Variante 7 präsentierte eine Betriebsvariante zu Variante 2, die ausschließlich für den Zeitraum der EXPO relevant gewesen wäre. Diese sah zwischen Hans-Böckler-Allee/Clausewitzstraße und Klagesmarkt zusätzlich zur Tunnelstrecke C-Ost eine niveaubelassene Streckenführung über den Zoo, Emmichplatz, Königstraße, Ernst-August-Platz zum Klagesmarkt vor. Die Einrichtung weiterer Haltestellen in diesem Bereich war nicht vorgesehen.
Stadtbahn-Variante 8: C-Tunnel mit Freundallee sowie Zoostrecke
Analog zur vorangehenden Variante präsentierte die Variante 8 eine Betriebsvariante der vorangehend vorgestellten Variante 3 ausschließlich für den EXPO-Zeitraum. Während der Streckenverlauf zwischen Kronsberg und Freundallee identisch ist zur Variante 3, erfolgte die Streckenführung ab Freundallee zusätzlich zu Tunnelstrecke C-Ost in Niveaulage über den Zoo, den Emmichplatz, die Königstraße, den Hauptbahnhof bis zum Klagesmarkt. Auch für diese Variante wurden im Verlauf ab Freundallee keine weiteren Haltestellen vorgesehen.
Zur geradlinigeren Anbindung an die Stadthalle und die Zoostrecke wurde ab Freundallee eine Unterquerung des DB-Betriebsgeländes Pferdeturm angedacht, die als Lageplan mit der Anlage 26 skizziert wurde. Diese Strecke wäre parallel zur Eilenriedehalle in die Schillstraße geführt und an den Theodor-Heuss-Platz angebunden worden.
Fazit
Als Ergebnis der Variantenbewertung wurde zusammengefasst, dass die Variante 3 (Freundallee) und 6.2 (D-Tunnel) den höchsten Gesamtnutzen der untersuchten Varianten aufwiesen. Die wesentlichen gutachterlichen Einzelergebnisse der Varianten 3 und 6.2 im Vergleich zueinander sind wie folgt ausgeführt.
Vorteile:
- Gleichwertige verkehrliche Erschließung im Bereich Bemerode/Kronsberg
- Vorteile für Variante 3 liegen in der Erschließung der Innenstadt über die Station Kröpcke
- Betriebliche Vorteile bei Variante 6.2
- Höhere Leistungsfähigkeit und höhere Leistungsreserven durch Neubau der vierten Stadtbahnstammstrecke bei Variante 6.2, dadurch hohe Flexibilität bei Netzerweiterungen
- Möglichkeiten der Ausnutzung zusätzlicher Leistungsreserven im Stadtbahnnetz durch die Variante 6.2
- Nahezu gleichwertige Betriebskosten pro Jahr im untersuchten Teilnetz
- Höhere Fahrgeldmehreinnahmen bei Variante 6.2
- Allerdings günstigere Kosten-/Erlössituation bei Variante 3
Nachteile:
- Voraussichtlicher Einsatz der oberirdischen Schienenstrecke im Zoobereich durch eine Buslinie, dem allerdings der Ersatz einer Buslinie im Bereich Sallstraße durch die Stadtbahnstrecke bei Variante 6.2 gegenübersteht
- Höhere Investitionskosten bei Variante 6.2
Das Gutachten schließt im Jahr 1992 mit der bemerkenswerten Feststellung:
„Der Bau des D-Tunnels (Variante 6.2) ist aus betrieblichen und verkehrlichen Aspekten sowie aus Gründen einer zukunftsorientierten Stadtbahnnetzplanung und dem Bereitstellen zusätzlicher Leistungskapazitäten und Reserven unbedingt sinnvoll.”
Für die ÜSTRA stellte das Gutachten „eine bislang einzige gemeinsame Basis der Meinungsbildung zwischen kommunaler Ebene, LHH und ÜSTRA” dar. Die ÜSTRA teilte in einer Stellungnahme vom 10.09.1992 die Auffassung der Gutachter Haas-Consult/TransTeC in seiner Gesamtaussage und schloss sich den Aussagen an. Aus Sicht der ÜSTRA beinhaltete die Variante 6.2 „insgesamt die größten positiven Effekte. Diese Variante entspricht den im ÜSTRA-Konzept erläuterten Standard, in dem ein regelmäßiger und pünktlicher Betrieb gewährleistet ist und Störungen des Stadtbahnbetriebes in der Innenstadt minimiert werden. Sie ist die von der Kapazität her leistungsfähigste Variante mit der zugleich höchsten Beförderungsgeschwindigkeit und einer guten verkehrlichen Qualität.”
Weitere Vorteile des D-Tunnels sah die ÜSTRA, dass darüber hinaus „keine Kapazitäten in anderen Netzteilen blockiert” würden. „Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit bietet diese Lösung ebenso die meisten Optionen bezüglich der zukünftigen, heute noch nicht absehbaren Siedlungsentwicklungen im Westen und Südosten von Hannover.” Diese Entwicklungen haben sich mit den Neubau-Stadtteilen Bemerode und Kronsrode seit der EXPO 2000 verwirklicht.